Kinder des Widerstands und deren Kinder

– Auswirkungen von Verfolgung und Widerstand (von 1933 – 1945) auf die nachfolgenden Generationen.

Die zehnköpfige Forschungsgruppe arbeitet seit Oktober 2020 zusammen. Ihr gehören acht Psychoanalytker:innen und zwei TP-ler:innen an, die meisten bereits postgraduiert, zwei in Ausbildung.

Die Gruppe der Widerständler:innen und ihrer Nachkommen ist bisher nur wenig beforscht worden. Ihre speziellen Erfahrungen: die Art und Weise der Verarbeitung von Verfolgung, Inhaftierung und Folter, die Verarbeitung des Antikommunismus im Nachkriegsdeutschland und das Erleben der Gemeinschaft in der kommunistischen oder sozialdemokratischen Partei – die Weitergabe der Verfolgungserfahrungen, aber auch der Widerständigkeit und Solidarität an die nachfolgenden Generationen – die Kinder und Enkelkinder – sind Gegenstand des Forschungsprojekts.

Im Rahmen einer Mehrgenerationen-Studie werden biografisch-narrative Interviews geführt, und zwar mit mindestens zwei Generationen einer Familie. Die Interviews werden aufgezeichnet und transkribiert, dann in Kleingruppen nachbesprochen, die Nachbesprechungen ebenfalls protokolliert. Durch das Nachdenken über unsere Gegenübertragungsreaktionen und über unsere Assoziationen versuchen wir, einen affektiven Zugang zu unserem Forschungsgegenstand zu bekommen und uns den vorbewussten und unbewussten Inhalten zu nähern. Wir gehen davon aus, dass bei der Weitergabe von Traumata die erforschten Mechanismen der transgenerationalen Weitergabe auch in den Gruppen der von uns Interviewten zu finden sein werden.

Leitende Forschungsfragen:

• Welche Aspekte und Erfahrungen des Widerstands und der Verfolgung wurden von den Eltern ihren Kindern vermittelt und wie?

• Wie prägt dieser Teil der Familiengeschichte, bewusst und unbewusst die Identität, die Einstellungen und Werte der nächsten Generation?

• Welche Rolle spielten Gewalterfahrungen und Traumata intrapsychisch und interpersonell in den familiären Beziehungen?

• Welchen Einfluss auf die Verarbeitung sowie die Weitergabe an die folgenden Generationen haben die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen? Spielte die fehlende gesellschaftliche Anerkennung und/oder eine fortgesetzte Verfolgung, z.B. von Kommunist:innen eine Rolle?

• Gibt es Veränderungen bei der Weitergabe von der ersten zur zweiten im Unterschied zur Weitergabe von der zweiten zur dritten Generation?

Forschungsziel(e)

Ein erstes Teilziel stellt für uns die Archivierung der von uns durchgeführten Interviews dar: Wir kooperieren mit der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg (FZH), deren Leiterin in regelmäßigen Abständen an unseren Treffen teilnimmt und uns bei der Durchführung der Interviews und den rechtlichen Rahmenbedingungen berät. Es geht also zunächst um die Bewahrung der Erinnerungen und Erfahrungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Das erhobene Material steht weiterer interdisziplinärer Forschung zur Verfügung; das Institut plant einen virtuellen Lesesaal.

Indem die Geschichten archiviert werden, möchten wir zur Korrektur bzw. zur Ergänzung des gesellschaftlichen historischen Gedächtnisses beitragen und die Bedeutung des schichtenübergreifenden gesellschaftlichen Widerstands im Nazi-Deutschland unterstreichen.

Ein zweites Teilziel wird die wissenschaftliche Auswertung der Interviews sein mit Hilfe der Methode des Szenischen Verstehens (Lorenzer) sein. Erste Transkripte, die dann von Kleingruppen bearbeitet werden, sind gerade fertiggestellt worden.

Kontakt: Dipl.-Psych. Gabriele Amelung, g.amelung@t-online.de