Homosexualität und psychoanalytische Ausbildung – Was hat sich verändert?

In der Ansicht zur Frage, ob Homosexualität an sich als Symptom einer pathologischen Entwicklung zu verstehen sei, hinkten psychoanalytische Institutionen und Fachgesellschaften in ihren Ausbildungsordnungen und Satzungen ihrem emanzipatorischen Selbstverständnis lange  Zeit hinterher – sie beantworteten diese Frage bis vor 20 Jahren mit ‚ja‘. Diese Haltung führte  – auch an unserem Institut – zu einer grundsätzlichen Nicht-Zulassung von schwulen und lesbischen Bewerber:innen zur psychoanalytischen Ausbildung. Wollten diese dennoch die Ausbildung absolvieren, mussten sie das ‚incognito‘ tun – eine leidvolle Variante, die oft das ganze weitere Berufsleben überschattete.

Erst 1991 verabschiedete die Amerikanische Psychoanalytische Vereinigung (APA) als erste psychoanalytische Fachgesellschaft und nach heftigen Kontroversen eine Antidiskriminierungsklausel, die die Ablehnung von Bewerber:innen allein wegen ihrer sexuellen Orientierung untersagte. 2002 folgte die Internationale Psychoanalytische Vereinigung (IPV) mit einer entsprechenden Stellungnahme. Dennoch blieb auch in den Jahren danach die Situation für Lesben und Schwule, die sich für die psychoanalytische Ausbildung interessierten, unübersichtlich: An welchen Instituten würden sie mit welchen Begründungen angenommen oder auch abgelehnt werden, wenn sie ihre Homosexualität offen äußern würden? War die Streichung der pathologisierenden Passagen aus psychoanalytischen Lehrbüchern Ausdruck einer in der Tiefe veränderten Haltung von Psychoanalytikerinn:en oder lediglich ein Zugeständnis an einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel und die ihm folgende veränderte Rechtsprechung? War die Pathologisierung nur sang- und klanglos verschwunden, ohne dass falsche Annahmen explizit korrigiert worden und durch neue Konzepte ergänzt worden waren?

Im deutschsprachigen Raum wurden – anders als in den USA – bisher erst wenige neuere Arbeiten über die homosexuelle Entwicklung und spezielle Übertragungskonstellationen publiziert. Es liegt im Interesse auch unseres psychoanalytischen Institutes, dass hetero- und homosexuelle Kollegen:innen verstärkt an diesen Themen arbeiten – im Rahmen von Fall- und Theorieseminaren, Diskussionskreisen, Veröffentlichungen  –, so dass die überwiegend stillschweigend-veränderte Haltung der psychoanalytischen Institutionen zunehmend Stimme bekommt und nachlesbar wird.

Noch diskutiert wird, inwieweit die problematische Geschichte von Psychoanalyse und Homosexualität die Zulassungspraxis der psychoanalytischen Institute, aber auch die psychoanalytische Theoriebildung beeinflusst, vielleicht auch beeinträchtigt. Sollten Transpersonen vor oder nach der Transition Psychoanalytiker:in werden können wie auch intergeschlechtliche Menschen, die sich den binären Konzepten ohnehin entziehen? Die Jahrestagung der DPG 2023 in Weimar ist ganz diesen Fragen gewidmet. Auch Gäste können teilnehmen!!

Weiterführende Literatur bei Bedarf gerne über Almut Rudolf-Petersen
almutrudolf@yahoo.de

Selbstverständnis

Zur Geschichte der DPG