Zur Geschichte der DPG

Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) entstand 1926 aus der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung, einem 1908 von Karl Abraham gegründeten Arbeitskreis. In den zwanziger Jahren entwickelte sich die DPG zu einer geistig und intellektuell reichen Zweiggesellschaft der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV).

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten, das Wirksamwerden antisemitischer Verordnungen sowie ein Anpassungsvorgang unter den deutschen Analytikern und Analytikerinnen führten zu einem Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus der Gesellschaft. Ungefähr 100 jüdische Analytiker:nnen und Ausbildungskandidat:innen mussten Deutschland verlassen.

Die DPG existierte nur als „Arbeitsgruppe A“ im „Deutschen Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie“ unter der Leitung von Mathias Heinrich Göring, einem Vetter Hermann Görings, weiter. Mit den Anpassungsversuchen – rationalisiert als Versuch, die Psychoanalyse über die Nazizeit hinweg zu retten – und den eingegangenen Kompromissen gab die DPG mit sehr weit reichenden Folgen zentrale Positionen der Psychoanalyse preis. 1938 musste die Gesellschaft aufgelöst werden. Damit erlosch auch ihre Mitgliedschaft in der IPV.

1945 wurde die DPG als „Berliner Psychoanalytische Gesellschaft“(BPG) wieder gegründet. Erst 1950 erlaubte das Alliiertenrecht die Bezeichnung „Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft“. Auf dem ersten internationalen psychoanalytischen Kongress (1949) nach dem Krieg in Zürich wurde der Antrag der DPG auf Wiederaufnahme in die IPV abgelehnt, weil Zweifel an der moralischen Integrität und der psychoanalytischen Identität ihrer Mitglieder bestanden. Die Kritik konzentrierte sich v.a. auf Harald Schultz-Hencke, der auf seinem Konzept der Neopsychoanalyse bestand, einem „Amalgam“ der Auffassungen von Freud, Jung und Adler, das auch während der NS- Zeit öffentlich vertreten werden konnte. 1950 trennte sich Carl Müller- Braunschweig, der schon zur NS- Zeit gemeinsam mit Felix Böhm den Vorsitz in der DPG gehabt hatte, mit einer kleinen Gruppe von der DPG und gründete die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV). 1951 wurde die DPV in die IPV wieder aufgenommen, nicht jedoch die DPG. Sie schloss sich 1962 mit anderen ungebundenen psychoanalytischen Gesellschaften zur Internationalen Föderation Psychoanalytischer Gesellschaften (IFPS) zusammen.
Nach dieser Aufspaltung in zwei deutsche psychoanalytische Fachgesellschaften und der daraus resultierenden Abkoppelung der DPG vom internationalen Austausch war die theoretische Ausrichtung der DPG bis in die 70iger Jahre hinein überwiegend neoanalytisch. Die Mitglieder der DPG entwickelten anerkannte und vielfältige klinische Kompetenzen. Viele Mitglieder erlebten die Gesellschaft als offen, liberal und wenig dogmatisch. Es gab jedoch auch eine Tendenz zum Rückzug und eine in der Isolation sich vollziehende Form von Selbstidealisierung. Zunehmend äußerten Mitglieder auch öffentlich ein Krisengefühl im Selbstverständnis als Analytiker:nnen und zur Position der DPG als Fachgesellschaft. Die Rückschau und teilweise sehr schmerzhafte Auseinandersetzung mit der Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland vor, während und nach der NS- Zeit führte dann langsam zu einer Wiedergewinnung freudianischer Konzepte und vertieften Auseinandersetzung mit zeitgenössischen psychoanalytischen Strömungen. Seit den 8oiger Jahren entwickelte sich eine zunehmende Öffnung und Internationalisierung der Fachgesellschaft. Durch den fachlichen und persönlichen Austausch mit Psychoanalytiker:nnen aus verschiedenen Ländern arbeitete sich die DPG mehr und mehr aus ihrer Isolierung heraus. Auch die Kontakte und Verbindungen zur DPV intensivierten sich. Nach den zu Beginn bestehenden Spaltungen, Schuldzuschreibungen, Kränkungen und Feindseligkeiten zwischen den beiden deutschen analytischen Fachverbänden kam es unter der professionellen und freundschaftlichen Mithilfe ausländischer Analytiker:nnen (hier sind besonders Anne-Marie Sandler, Otto Kernberg und Sverre Varvin zu nennen) zu einem langsamen, fruchtbaren und integrierenden Reflexionsprozess. Dessen Ergebnis war die zunehmende Einsicht, dass DPG und DPV gemeinsam in der Verantwortung für die Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland stehen und, dass man auf zwei verschiedene Wege des Umgangs und der Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe der Beschädigung der Psychoanalyse in Deutschland zurückschaut.

Die DPG entwickelte und dynamisierte weiter ihre Ausbildungsstrukturen, der theoretische und supervisorische Austausch auf internationaler und auf DPG-DPV Ebene nahm weiter zu. Eine Gruppe von DPG-Mitgliedern wurde nach Einzelevaluationen in die IPV aufgenommen. Dann wurde die DPG 2001 auf dem IPV Kongress in Nizza als „IPA Executive Council Provisional Society“ aufgenommen. Im weiteren Verlauf wurde dann eine Organisationsform (Two-Track-Modell) entwickelt, das den komplexen Ansprüchen sowohl der DPG (Möglichkeit der Erhaltung und weiterer Anerkennung der Ausbildung und Mitgliedschaft nach DPG-Standards) als auch der IPV (Möglichkeit der Ausbildung und Mitgliedschaft nach den Standards der IPV) gerecht wurde. Auf der IPV-Tagung 2009 in Chicago wurde die DPG dann als vollwertige Zweiggesellschaft der IPV anerkannt.

Hamburg, 17.11.2013 

Dr. Klaus Poppensieker

Selbstverständnis

Homosexualität und psychoanalytische Ausbildung